Rezension von Carsten Krumm

erschienen auf dierezensenten.blogspot.de

 
Barton, Einführung in die Strafverteidigung, 2. Auflage, C.H. Beck 2013
 
Von Richter am Amtsgericht Carsten Krumm, Lüdinghausen
 
 
In nunmehr zweiter Auflage liegt die „Einführung in die Strafverteidigung“ von Barton vor. Anders als etwa Fachanwaltsbücher richtet sich das Buch tatsächlich vorwiegend an die studentische Leserschaft und auch Referendare. Meines Erachtens werden zudem Berufsanfänger, die sich auf Strafverteidigungen spezialisieren wollen mit dem Buch einen guten Einstieg finden können. Barton selbst ist bekanntlich Hochschulprofessor an der Universität Bielefeld und befasst sich unter anderem schwerpunktmäßig im Rahmen seiner universitären Lehrtätigkeit mit dem Thema Strafverteidigung – erwartungsgemäß schafft das Buch so sehr gut den beabsichtigten Spagat zwischen Theorie und Praxis.
 
Bereits vom äußeren Erscheinungsbild kommt das Buch sehr angenehm daher. Es ist 340 Seiten dick und gut strukturiert. Zunächst finden sich eine grobe Inhaltsübersicht und dann ein detailliertes Inhaltsverzeichnis. Das Literaturverzeichnis erfasst jegliche genutzte Literatur, also auch wissenschaftliche Aufsätze. Am Schluss des Buches findet sich völlig auch das erwartungsgemäß gut gepflegte Sachverzeichnis.
 
Natürlich ist die entscheidende Frage: Was wird von Barton inhaltlich geboten? Das Buch fällt in vier Teile, die zunächst sehr abstrakt und so auch wenig einladend klingen. Sie heißen etwa „Hinführung zur Strafverteidigung“ oder „Schlüsselqualifikationen für Strafverteidiger“.
Hinter diesen Abschnittsüberschriften finden sich dann einzelne Unterabschnitte in Gestalt fortlaufend mit Paragraphennummern bezeichneter Sinnabschnitte.
 
Zunächst befasst sich Barton etwa mit Sinn und Bedeutung der Strafverteidigung, also einer abstrakt anmutenden Problematik, die Barton aber gut in Griff bekommt. Die Ausführungen insoweit betreffen natürlich auch die historische Dimension der Strafverteidigung. Des Weiteren befasst sich der Autor mit den Aufgaben der Strafverteidigung. Hierbei wird besonderes Augenmerk auf die aktuelle Problematik der Verständigungen im Strafverfahren gelenkt. Wie zu erwarten befasst sich Barton auch mit dem von „Dahs“ geprägten Satz, nach dem Verteidigung Kampf sei. All dies ist in leicht verständlicher Sprache dargestellt, so dass auch ein sehr angenehmes Querlesen möglich ist. Gelegentliche Fettungen in längeren Absätzen oder auch kursiv gedruckte Worte ermöglichen ein schnelles überfliegen des Textes.
 
Der zweite Teil des Buches mit dem Titel „Das Recht der Strafverteidigung“ ist da natürlich schon etwas handfester. Hier werden die zentralen strafprozessualen Regelungen zur Verteidigung dargestellt, insbesondere natürlich auch die notwendige Verteidigung (Studenten u.U. eher als „Pflichtverteidigung“ bekannt). Die Stellung des Verteidigers im Prozess ist ein weiteres wichtiges Thema, mit dem sich Barton befasst. Letztlich stellt er in diesem zweiten Buchteil noch die Pflichten und Obliegenheiten eines Verteidigers und zwar nicht nur aus unmittelbar strafprozessualer Sicht, sondern auch in zivilrechtlicher oder berufsrechtlicher Hinsicht dar. Dazu gehört richtigerweise auch die Problematik der Strafvereitelung, mit der sich jeder engagierte Verteidiger auseinandersetzen muss.
 
Die Methodik der Strafverteidigung ist Gegenstand des dritten großen Buchteils. Ausgehend von der richterlichen Rechtsanwendung stellt Barton dar, wie wichtig es ist, die Verteidigung methodisch anzugehen und nicht - wie es oft anzutreffen ist - nach einem Gespräch des Mandanten einfach drauf los zu schreiben. Die hohe Kunst der Strafverteidigung zeigt Bartonetwa dort, wo es um das „Aufspüren und Abschichten von Verteidigungsgründen“ geht. Er stellt hier Suchmethoden dar, die ein Verteidiger anwenden kann, um solche Gründe aufzuspüren. Natürlich befasst er sich dann auch mit den Möglichkeiten der Einstellung des Verfahrens. Barton nennt dies in einem Unterkapitel „Ausstiegsstellen“, was zunächst etwas eigenartig klingt, gleichzeitig aber genau das beschreibt, was strafprozessual seitens des Verteidigers erkannt werden muss.
 
Natürlich befasst sich Barton auch mit allen Arten von Anträgen, Rügen, Rechtsbehelfen und Erklärungen. Diese werden freilich nicht wie in einem Strafprozess-Lehrbuch dargestellt, sondern eher als Möglichkeiten, die Barton aufzeigt, um eine geordnete und zielführende Verteidigung aufbauen und durchführen zu können. Ein nicht unmittelbar verteidigungsrelevantes Kapitel findet sich in § 10. Dort ist die Rechtsgestaltung als Verteidigungsinstrument dargestellt. Er stellt hier etwa Problemkreise aus dem Arbeitsstrafrecht, aus dem Bereich der Unternehmenskrise oder der heute modernen Problematik der „Compliance“ vor. In der Praxis des Berufsanfängers werden derartige Fragen sicher zunächst weniger eine Rolle spielen. Mir scheint das Kapitel eher dazu da sein, das Bewusstsein von Studenten und Berufsanfängern zu schärfen, dass hier ein kreatives Berufsfeld für Verteidiger da ist, die nicht nur in der Hauptverhandlung ihr Verteidiger Glück suchen wollen. In § 11 des Buches wird eine Brücke zu der vorwiegend studentischen Leserschaft des Buches geschlagen. Es werden dort typische Aufgabentypen von Klausuren und Verteidigungsfall orientierten Prüfungen in der Pflichtfachausbildung dargestellt.
 
Mir selbst gefällt der vierte Teil des Buchs am besten. Hier werden Punkte angesprochen, über die sich die meisten Verteidiger nicht recht klar werden. Es wird hier z.B. die Kommunikation und Interaktion im Strafverfahren ausführlich dargestellt, so etwa auch aus Sicht der Psychologie oder der Gruppendynamik im Strafverfahren. Dieses Kapitel ist selbst für erfahrene Richter und Staatsanwälte eine lesenswerte Lektüre. Auch die Gesprächsführung mit dem Mandanten wird in diesem Abschnitt von Barton thematisiert. Ganz wichtig ist weiterhin die Vernehmungslehre. Barton stellt hier dar, wie eine Zeugenbefragung ordnungsgemäß durchzuführen ist, um eine „gute Zeugenaussage“ zu erlangen. Glaubwürdigkeitsprüfung und Lügensignale sind hier natürlich zentrale Themen.
 
Zuletzt befasst sich Barton mit dem Plädoyer des Verteidigers. Hier stellt Bartonrichtigerweise die verschiedenen Möglichkeiten des Aufbaus eines Plädoyers vor. Er zeigt dabei die Unterschiede zum staatsanwaltschaftlichen Plädoyer auf, das sich in der Regel an der Prüfung des Gerichtes orientiert. Ausgehend hiervon stellt er richtigerweise dar, dass in vielen Büchern der Verteidiger Literatur empfohlen wird, dieses Schema auch für das Verteidiger Plädoyer zu übernehmen. Barton schlägt jedoch einen an der antiken Rhetorik orientierten Aufbau vor, der sich in drei Teile gliedern soll, nämlich den Eingang, den Hauptteil und den Schluss. Dabei soll es im Hauptteil zunächst um die Präsentation einer „runden Geschichte“ gehen und dann im Weiteren um das Aufstellen von Verteidigungsthesen und die Begründung derselben. Barton lässt hier kurze typische Floskeln einfließen, um darzustellen, worum es ihm bei seinen Ausführungen geht.
 
Alles in allem handelt es sich bei dem Buch Bartons um ein Werk, das Studierenden und Referendaren mit Strafrechtsschwerpunkt empfohlen werden kann. Wie schon dargestellt sollten auch Verteidiger, die sich am Beginn ihres Berufslebens befinden einen Blick ins Buch werfen – es lohnt sich sicher.

 

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